schriftenklassen

Klassifizierung von Schriften nach DIN-Norm 16518

Hier genau aufpassen!

Schriften haben im Verlauf jahrhunderte dauernden Entstehungsgeschichte verschiedene Merkmale ausgebildet, nach denen sie sich unterscheiden lassen. Wichtige Merkmale für die Unterscheidung sind z.B.:

  • Existenz und ggf. Form von Serifen
  • Winkel und Strichstärke des mittleren Schenkels beim Buchstaben „k“
  • Querstrich beim Buchstaben „e“
  • Verlauf von Strichstärke in in Schenkeln, Aufstrichen und Abstrichen
  • Verlauf von Rundungs- und Schattenachsen

Hier genau aufpassen!

Einteilung der Schriften in 11 Klassen nach DIN 16518 seit 1964

Seit 1964 werden Schriften in ein System aus 11 Klassen eingeordnet. Die Klassen 1 bis 7 spiegeln in Ihrer Reihenfolge die Entstehungsgeschichte der Schriften wieder. Die nachfolgenden 4 Klassen lassen sich nicht in dieses Schema einordnen, u.a. weil sie abweichende Stilmerkmale haben und bilden daher eigene Klassen.

KLASSE 1: Venezianische Renaissance-Antiqua

Venedig steigt bis 1469 zum Druckstandort besonderer Güte und Ort hoher Schriftkunst auf. Die Epoche der Renaissance beschreibt einen Zeitraum von 1420 bis 1540 in Norditalien. Antiqua beschreibt eine Schrift mit runden Buchstabenformen, basierend auf alt-römischen Vorlagen. Die Antiqua-Schriften stehen somit im Gegensatz zu den modernen, glatten und serifenlosen Groteskschriften.

Schriftarten z.B. Jenson, Centaur, Kennerly Old Style, Giovanni

BEISPIEL EINER VENEZIANISCHEN RENAISSANCE ANTIQUA

KLASSE 2: Französische Renaissance-Antiqua

Übergangslose Entwicklung aus der italienischen Renaissance zur französischen Spätrenaissance ab 1540. Schriften der französischen Antiqua-Klassifizierung zeichnen sich durch ruhigere, glattere und gleichmäßigeFormgebung aus. Das Schriftbild wirkt solide und ist von sehr guter Lesbarkeit. Daher werden Französische Antiqua-Schriften, wie z.B. die Minion, die Goudy oder die Pallatino oftmals für längere Texte benutzt.

Bembo, Garamond, Goudy Old Style, Palatino, Trump, Mediaeval, Meridien, Stone Serif, Minion

BEISPIEL EINER FRANZÖSISCHEN RENAISSANCE ANTIQUA

KLASSE 3: Barock-Antiqua

Ab ca. 1650. Im Übergang von der Spätrenaissance in das Barock-Zeitalter entwickelt sich auch die Schreib- und Druckkunst hin von der Verwendung der Breitfeder zum Kupferstich. Die bedeutet, dass von da an klarere Linien, schärfere Kanten und dauerhaft höhere Qualität auch bei höheren Auflagen möglich ist. Somit werden Kontraste ind den Auf- und Abstrichen größer und variationsreicher, Kehligen in den Serien verschwinden langsam und die Symetrieachsen werden aufrechter.

Times, Utopia, Caslon, Baskerville

BEISPIEL EINER BAROCK ANTIQUA

KLASSE 4: Klassizistische Antiqua

Klassizismus meint einen Zeitraum zwischen 1750 und 1830. Nach der verspielten Barock-Epoche erstarkt im Klassizismus die Besinnung auf klarere und strengere Formen nach antiken Vorbildern. Entsprechend werden Schriften immer klarer und mit technischen Geometrie-Hilfsmitteln konstruiert. Vertikale und horizontale Linien spielen in den klassizistischen Antiqua-Schriften eine große Rolle, gleichzeitig werden die Kontraste zwischen Auf- und Abstrichen immer stärker. Serien sind fein, von gleicher Strichstärke und verlaufen gradlinig. Diese Schriften haben eine klaren und aufgeräumten Charakter. War die Barock- und Rokokoepoche umso verspielter, so herrscht nun mehr Klarheit in der Form.

Bodoni, Didot, Century, Walbaum

BEISPIEL EINER KLASSIZISTISCHEN ANTIQUA

KLASSE 5: Serifenbetonte Linear-Antiqua

Ab Beginn des 19. Jahrhunderts. Entsteht in einer Zeit mit steigender Nachfrage nach Werbewirksamkeit. Den Schriften ist deutlich anzusehen, dass in dieser Zeit alles ägyptische modern war. Die Schriften büßen teils an Klarheit und Lesbarkeit ein und stoßen auch nicht überall auf Gegenliebe.

Coporate E, Rockwell, American Typewriter, Officina Serif

BEISPIEL EINER SEIFENBETONTEN LINEAR ANTIQUA

KLASSE 6: Serifenlose Linear-Antiqua

Grotesk-Schriften brachen ab ca. 1800 vollständig durch Verzicht auf jede Form der Serien und Strichstärkenkontraste mit den hergebrachten Wahrnehmung- und Sehgewohnheiten. So leitete sich auch der Name „Grotesk“ ab, der Ausdruck einer Mischung aus Verwunderung und Skepsis ist, die viele Menschen dieser Zeit den neuen Schriftmoden entgegenbrachten. Groteskschriften sollten auch Hingucker sein, Aufmerksamkeit erregen und sich so also gut als werbewirksame Schriften etablieren. Sie kamen aber fast durchweg als Zierschriften zum Einsatz. Groteskschriften zeichnen sch durch Klarheit und einen konstruierten Charakter aus.

Akzidenz Grotesk, Franklin Gothic, Futura, Kalbel, Gill Sans, Frutiger, Avenir

BEISPIEL EINER SEIFENLOSE LINEAR ANTIQUA

KLASSE 7: Antiqua-Varianten

Diese Gruppe sammelt Schriften, die sich den 6 vorangegangenen Antiqua-Klassen nicht zuordnen lassen. dennoch aber Merkmale einer Antiqua-Schrift besitzen.

Optima, Souvenir, FF Blur, Friz Quadrata

BEISPIEL EINER ANTIQUA-VARIANTE

KLASSE 8: Schreibschriften

Schreibschriften können nur zu Dekorationszwecken genutzt werden. Natürlich kann man sich auch einen Einsatz im Lokodesign vorstellen. Sie wirken emotionaler und sind mitunter schlecht lesbar. Einsatzgebiete sind somit eher die Werbung und die Kunst.

Linoscript, Mistral, Zapfino, Berthold Script

Handschrift

KLASSE 9: Handschriftliche Antiqua

Diese Gruppe sammelt Schriften, die Merkmals aus den ersten 6 Klassen besitzen, aber dann als Handschriften ausgelegt wurden. Sie zeichnen sich durch Eigenheit und Individualität aus. Sie eignen sich keinesfalls als Schrift für einen Fließtext, sondern nur zu Auszeichnung- und Dekorationszwecken. Sie sind schwer lesbar, mitunter sogar anstrengend und sollten entsprechend sparsam eingesetzt werden.

Post Antiqua, Brush Script, Dom Casual, FF Childs Play

Schreibschriften

KLASSE 10: Gebrochene Schriften

Gebrochene Schriften breiten sich ab dem 12. Jahrhundert mit der Verbreitung des gotischen Baustils aus. Sie markieren einen deutlichen Meilenstein in der Schriftengeschichte. Gotische bzw. gebrochene Schriften arbeiten mit gebrochenen Bögen und starken Kontrasten in der Strichstärke.

Gotische Minuskel, Schwabacher, Fraktur, Manuskript Gotisch

Fremde Schrift

KLASSE 11: Fremde Schriften

z.B. Chinesich, Japanisch, Arabisch, …

Fremde Schrift

Reformierungsvorschläge

Begrifflichkeit der Einteilung nach DIN 16518 lassen sich nicht mit einer internationalen Terminologie harmonisieren. Unter anderem daher legte das Deutsche Institut für Normung e.V. 1998 den Vorschlag einer neuen, einfacheren und international terminologisch mehr zutreffenden Variante einer Klassifizierung vor. Hier werden Schriften nach ihren formalen Unterschieden in nur noch fünf Klassen eingeodnet:

  1. Gebrochene Schriften
  2. Römische Serifen-Schriften
  3. Lineare Schriften
  4. Serifenbetonte Schriften
  5. Geschriebene Schriften